Was ist Business Coaching und was machen Business Coaches? Wann und in welchen Situationen sollte Business Coaching in Anspruch genommen werden?
Es gibt viel Fragen rund um das Thema Coaching. Deshalb haben wir uns entschlossen, uns direkt an eine Business Coachin zu wenden, um zu verstehen, was Business Coaching ist, wozu es dient und welchen Nutzen es für ein Unternehmen und seine Mitarbeitenden haben kann.
Im Interview mit Valentina di Marco, Business Coachin und Beraterin von Speexx, erfahren wir mehr.
Was versteht man unter dem Begriff Business Coaching?
Valentina: „Ich muss sagen, dass viel Verwirrung herrscht, wenn von Coaching die Rede ist. Es liegt daran, dass das Wort Coach im Englischen sowohl als Trainer als auch als Mentalcoach verwendet wird. Bevor wir also verstehen können, was Coaching ist, müssen wir sicherstellen, dass wir den Unterschied zwischen Training und Beratung kennen.
Coaching arbeitet auf einer mentalen Ebene – obwohl es nichts mit Psychotherapie zu tun hat – und basiert auf einem Gespräch zwischen Coach und Coachee, bei dem „wirkungsvolle Fragen“ gestellt werden, die das Zielbewusstsein schärfen. Es ist wichtig zu betonen, dass alle Schritte, die die Coachees unternehmen, von ihnen selbst kommen und aus eigener Entscheidungen getroffen werden. Echte Coaches geben keine Ratschläge, Vorschriften oder Anweisungen.
Die International Coaching Federation (ICF), der erste große internationale Verband in diesem Bereich, definiert Coaching als eine Partnerschaft zwischen Coach und Coachee, in der der Coach durch einen Denkprozess hilft, Ziele zu erreichen.
Und wie funktioniert Coaching?
Valentina: „Coaching hilft, zukünftige Ziele (klar definierte S.M.A.R.T.-Ziele) durch einen Bewusstwerdungs- und Veränderungsprozess von der Gegenwart in die Zukunft zu definieren und zu erreichen. Es führt den Coachee von einem Zustand der Unzufriedenheit (Gegenwart) zu dem persönlichen Wunschzustand (Zukunft). Im Gegensatz zu einer Therapie wird beim Coaching weder ein Helfer- noch ein Abhängigkeitsverhältnis aufgebaut. Zudem handelt es sich beim Coaching weder um eine Beratung, da Coaches keine Ratschläge erteilen, noch um ein Training, da keine völlig neuen Fähigkeiten vermittelt werden.“
Warum werden so viele verschiedene Arten von Coaching angeboten: Executive Coaching, Business Coaching, Life Coaching? Hängt das von einem bestimmten Thema ab?
Valentina: „Nein, es gibt keine spezifischen Themen im Coaching. Sie können beruflicher oder persönlicher Natur sein, aber auch übergreifend. Man könnte sagen, dass die verschiedenen Arten von Coaching, von denen wir sprechen, im Grunde ‚Nuancen‘ sind. Beim Executive Coaching, das sich also eher an Führungskräfte richtet, möchte der Coachee voraussichtlich über berufliche Ziele sprechen, vielleicht aber auch über persönliche und private Aspekte. Daher ist es „korrekter“, von Bereichen oder Teilbereichen des Coachings zu sprechen, wie Business-, Lebens-, Sport- oder Karriere-Coaching. Was aber vor allem zählt, ist das Ziel des Coachees.“
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Welche Ziele werden mit Business Coaching verfolgt?
Valentina: „Business Coaching richtet sich an Personen, die (berufliche) Ziele in den Bereichen Konfliktmanagement, Motivation, Kommunikation, Durchsetzungsvermögen, Ressourcenmanagement, Organisation, Produktivität und Zeitmanagement anstreben. Allen Bereichen gemein ist der Wunsch des Coachees, sich selbst zu verbessern. Er will Veränderungen selbstbewusst begegnen und das eigene Potenzial entfalten. Coaches wiederum tragen die Verantwortung, diesen Prozess zu begleiten: Spüren sie, dass ein Coachee vom geplanten Weg abkommt, fragen sie, ob er einen anderen Weg einschlagen möchte.
Echte Coaches machen ihre Coachees nicht von sich abhängig, im Gegenteil: das Ziel ist es, die Coachees unabhängig zu machen. Coaches sehen ihre Coachees als ressourcenorientierte Menschen, das bedeutet, sie besitzen bereits alle Ressourcen, um persönliche Ziele zu erreichen. Die Coaches helfen den Coachees lediglich dabei, das zu sehen, was sie von sich selbst (noch) nicht sehen können, etwa wegen subjektiven Hindernissen, Ängsten oder einschränkenden Überzeugungen.
Eine Reihe von wirkungsvollen Fragen sollen den Coachee dazu anregen, die eigene Person und das individuelle Ziel kreativ und aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Dies ist das Makroziel, das Ziel eines gesamten Coaching Prozesses. Die Einzelsitzungen hingegen sind Mikroziele, die den kleinteiligen Schritten entsprechen, die der Coachee zur Erreichung des Makroziels für notwendig erachtet.
Wie lang dauert so ein Coaching Prozess?
Valentina: „Die Coaching Reise kann eine Stunde, fünf oder mehre Stunden dauern, doch sie endet meist dann, wenn die Coachees dafür bereit sind, weil sie glauben, ihr persönliches Ziel schon erreicht zu haben, oder weil sie sich unabhängig genug fühlen, die Reise allein fortzusetzen. Bewusstseinsbildung auf Seiten der Coachees bedeutet auch die Übernahme von Verantwortung und die Motivation, die einen zum Handeln antreibt. Eine Motivation, die nicht von außen kommen kann – Coaches spielen nicht die Rolle der Motivatoren!
Denn, wenn die Motivation nur von außen kommt, ist sie nicht von Dauer, die Person empfindet sie dann nicht als die eigene und verinnerlicht sie nicht“.
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Was kann man denn unter „wirkungsvollen Fragen“ verstehen?
Valentina: „Es gibt verschiedene Arten und Weisen des Fragens, „die eine“ richtige Fragetechnik gibt es jedoch nicht. Eine Frage ist dann wirkungsvoll, wenn sie von der Person gegenüber als solche wahrgenommen wird und zu einem Zeitpunkt gestellt wird, in der sie gebraucht wird. Es gibt Möglichkeiten, Fragen durch Adjektive oder Adverbien „eindringlicher“ zu gestalten. Coaches müssen jedoch verstehen, wer vor ihnen steht, ohne „Schlagwortfragen“ zu verwenden.
Im Idealfall sollten Coaches keine geschlossenen Fragen stellen und die Coachees nicht zu Antworten wie „Ja“ oder „Eins“ verleiten. Es ist besser offene Fragen zu stellen und mit Pronomen wie „was, wer, wie“ zu beginnen. Das Wort „warum“ sollte grundsätzlich vermieden werden.
Zudem sollten Coaches aktive Zuhörer sein und sich darin üben, nicht zu urteilen – das würde zu einer Beratung führen. Coaches sollten empathisch sein, ja, aber mit einer gewissen Distanz, sie dürfen sich nicht zu sehr einmischen, sondern müssen ein gesundes Gleichgewicht finden“.
Wann erkennt ein Unternehmen, dass es Business Coaching braucht? Wie wird es sich dessen bewusst?
Valentina: „Es ist nicht immer so, dass die Unternehmen sich dessen bewusst sind. Lassen Sie mich dazu eine persönliche Erfahrung schildern: Ein Manager, Leiter eines Konzerns, wendete sich an mich, weil ihm klar wurde, dass er Coaching braucht. Er wusste aber nicht genau, was Coaching ist, er dachte, es sei eine Art Transfer von Fähigkeiten. Wir sind ins Gespräch gekommen und haben festgestellt, dass er seine eigene Art und Weise entwickeln will, sein Team zu coachen.
Ich nenne dieses Beispiel, weil ein Unternehmen zunächst verstehen muss, was Coaching ist. Erst dann wird es in der Lage sein, zu erkennen, ob es ganze Bereiche oder Situationen gibt, die Optimierung benötigen, oder ob es sich „nur“ auf die Verbesserung der Leistung und der Ergebnisse konzentrieren sollte.
Im Allgemeinen kann ich sagen, dass ein halbstündiges Gespräch, in dem die Bedürfnisse erläutert werden, ausreicht, um zu verstehen: Braucht das Unternehmen wirklich ein Coaching oder doch nur eine Beratung?
Und wer sind in der Regel die Personen im Unternehmen, die Business Coaching antreiben?
Valentina: „Jeder, der weiß, was Business Coaching bewirken kann, ist daran interessiert. Es gibt also keine bestimmte Person, die sich um Business Coaching kümmert, sondern vielmehr Menschen, die ein Problem oder ein Bedürfnis haben und sich dann erkundigen, welche Lösungen es gibt. Es kann sein, dass es einen Manager in einer Unternehmensfunktion gibt, der dieses Bewusstsein hat und die Personalabteilung darauf aufmerksam macht. Oder aber es ist die Personalabteilung selbst, die solche Wege vorschlägt. Es kann aber auch die Geschäftsführerin sein, die den Bedarf entweder bei sich selbst oder bei einem ihrer leitenden Mitarbeitenden feststellt und diesen fragt, ob Business Coaching für ihn von Nutzen sein könnte“.
Business Coaching kann sich an Teams oder Einzelpersonen richten. Gibt es Unterschiede in der Durchführung?
Valentina: „Beim Einzelcoaching konzentrieren sich Coaches auf eine Person, die den Weg und die verschiedenen Schritte festlegt, und achten darauf, dass sie sich nicht aus dem Prozess zurückzieht. Denn, wie bereits erwähnt, liegt die Verantwortung für den Coaching Prozess bei den Coaches. Beim individuellen Coaching kann das Ziel sowohl beruflicher als auch persönlicher Natur sein.
Beim Teamcoaching handelt es sich um eine kleine Gruppe von Personen. Sie haben unterschiedliche Funktionen, verfolgen aber alle das gleiche Ziel. In diesem Fall beobachten die Coaches die Arbeitsweise des Teams und versuchen durch die Beantwortung von Fragen, im Team verschiedene Lösungsansätze zur Erreichung des Ziels zu finden. Jeder Einzelne kann einen Lösungsweg vorschlagen, doch die Entscheidung, welcher davon der geeignetste ist, ist Sache des Teams und nicht der Coaches.
Es gibt viele Gründe, weshalb sich eine Einzelperson oder ein Team für Coaching entscheidet. Um nur einige zu nennen: eine Herausforderung, eine Chance, eine Lücke im Bewusstsein, in den Fähigkeiten oder im Selbstvertrauen, der Wunsch, schneller Ergebnisse zu erzielen, die Bewältigung von Misserfolgen im beruflichen oder persönlichen Bereich oder der Aufbau von Beziehungen zu anderen, um vorrangige Ziele zu erreichen.
Aber auch die Entwicklung einer klaren Vision, wenn man vor wichtigen Entscheidungen steht, die Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Berufs- und Privatleben, das Erkennen von Schlüsselpotenzialen und deren Nutzung, die Optimierung des eigenen Lebensmanagements, sowie die Fähigkeit schwierige Entscheidungen zu treffen sind gute Gründe für Business Coaching“.