Quiet quitting

Arbeiten um zu leben oder leben um zu arbeiten?

Quiet Quitting (zu Deutsch “stilles Kündigen”) bezeichnet ein Phänomen, dass Mitarbeitende dazu bewegt, sich von ihrer Arbeit zurückziehen und nur das Nötigste zu leisten, um nicht entlassen zu werden. Für viele Unternehmen – und insbesondere für Führungskräfte – ist das ein wachsendes Problem.

Quiet Quitting: Was hat es damit auf sich?

Aber wie genau sieht Quiet Quitting  aus und welche Motivation stecken dahinter? Zaid Khan, ein Ingenieur der Generation Z, hat einen TikTok-Beitrag gepostet, in dem er seine Meinung dazu kundtut: “Ich habe vor Kurzem den Begriff Quiet Quitting kennengelernt, bei dem man nicht direkt seinen Job kündigt, sondern die Idee aufgibt, über sich hinauszuwachsen”, sagt Khan. „Man erfüllt immer noch seine Pflichten, aber man unterwirft sich nicht mehr der Mentalität der Hustle-Kultur, in der lange Arbeitszeiten, harte Arbeit und ständiger Erfolgdruck alltäglich sind und die Arbeit den größten Lebensinhalt darstellt. Denn in Wirklichkeit ist das nicht der Fall. Und Ihr Wert als Mensch wird nicht durch Ihre Arbeit definiert.”

Quiet Quitting bedeutet also nichts anderes, als das Arbeitende ihren “Dienst nach Vorschrift” und ganz nach geltender Arbeitsvereinbarung vollbringen, jedoch unbezahlte Überstunden, zusätzliche Aufgaben und Extrameilen bewusst ablehnen.

Und so wurde das Phänomen des #quietquitting geboren.

Dieses Phänomen ist bei weitem keine Seltenheit: Laut einer Studie von Gallup ist bereits 50 % der US-Belegschaft von Quiet Quitting betroffen, wobei der Anteil der aktiv unzufriedenen Mitarbeitenden auf weitere 18 % ansteigt.

Ein ähnliches Bild ist auch in Deutschland zu beobachten: Laut Gallup Engagement Index 2019 haben sich rund 69 % der Befragten für eine Arbeit nach Vorschrift, aber ohne Extrameile, entschieden. In diesem Fall kann der Trend leider nur nach oben gehen. Schlechte Nachrichten für Führungskräfte.

Eine Studie von Ricoh, die 1.000 Arbeitnehmende zu ihrem Arbeitsengagement befragt hat, zeigt ein weit entschärfteres Bild. Lediglich 4 % der Befragten gaben an, nur das Nötigste am Arbeitsplatz zu leisten. Der Wunsch nach mehr Kreativität, Inspiration und Anwechslung ist unter den Befragten jedoch groß.

Quiet quitting

Wann hat das begonnen und was führte dazu?

Der starke Rückgang des Engagements am Arbeitsplatz lässt sich bis in die zweite Hälfte des Jahres 2021 zurückverfolgen. In derselben Umfrage führt Gallup dies auf eine Kombination aus unklaren Erwartungen an die Mitarbeitenden, begrenzte Lern- und Wachstumsmöglichkeiten, dem Gefühl, dass man sich nicht um sie kümmert, und der Fehlenden Verbindung zu Unternehmenszielen zurück. Das Gefühl der schwindenden Zufriedenheit am Arbeitsplatz ist in der Generation Z und den jüngeren Millennials am stärksten ausgeprägt, da es bekanntermaßen schwieriger ist, diese Bevölkerungsgruppen für alte Arbeitsstrukturen zu gewinnen und zu binden.

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Wer trägt die Schuld daran?

Aber wer ist daran schuld? Erwarten die Mitarbeitenden zu viel von ihrem Job? Oder ist die Quiet Quitting auf eine miserablen Führung zurückzuführen?

Die Wirtschaftspsychologin Nicole Clemens schreibt die Schuld ganz klar einer schlechter Führung zu: „Diese Menschen fühlen sich nicht genug gesehen und geachtet. Manche Führungskräfte haben besonders auf Beziehungsebene keine gute Arbeit geleistet, sie haben nicht genug gelobt, zu wenig deren Leistung und Durchhaltevermögen anerkannt.“

Quiet quitting

Oder ist Quiet Quitting  doch die Antwort einer überarbeiteten Gesellschaft? Zahlen des Statistische Bundesamts aus dem Jahr 2021 belegen, dass für 12 %, rund 4,5 Millionen der Beschäftigten in Deutschland, Überstunden zum Arbeitsalltag gehören. Die Mehrheit gibt dabei an, das diese sich auf weniger als 10 Stunden pro Arbeitswoche belaufen. 29 % der Befragten geben an, 15 Wochenstunden oder mehr für Mehrarbeit aufzubringen. Werde diese Stunden den vergütet? 18 % können dies mit einem Ja beantworten, weitere 22 % leisten Überstunden ohne jeglicher Bezahlung.

Verständlich also, dass eine junge Generation neue Arbeitsstrukturen anstrebt! Eine 2019 durchgeführte Umfrage von Compensation Partner belegt, je jünger die Arbeitenehmenden sind, desto weniger Überstunden leisten sie. Generation Y and Z sind weit weniger bereit, einen Mehraufwand zu leisten als ältere Generationen. Dies hat weniger mit dem Desinteresse an der Arbeitswelt zu tun, als vielmehr mit einer Werteverschiebung. Jüngere Generationen legen mehr Wert auf eine gute Work-Life-Balance und einen gesunden Lebensstil.

Quiet Quitting kann durchaus als Antwort einer überarbeiteten Elterngeneration angesehen werden, dies aber nur einer fehlenden Arbeitsmoral zuzuschreiben, wäre zu schnell geurteilt. Vielmehr ist diesem Phänomen einem gestiegenen Selbstwert und dem Wunsch nach höherer Lebensqualität zuzuschreiben. Um in Zukunft qualifizierte Fachkräfte gewinnen zu können, sollte sich das Unternehmen dessen bewusst sein.

Die Auswirkungen

Der anwachsende Effekt des Quiet Quittings lässt sich damit erklären, dass unzufriedene Mitarbeitende immer häufiger ihre Energie und ihren Fokus auf das persönliche Wohlbefinden, mentale und körperliche Gesundheit sowie ihre Freizeit lenken.

Da stellen sich Führungskräfte die Frage: „Was ist denn schon dabei? Wir stellen einfach neue, engagiertere Mitarbeitende ein; ist das nicht auch die Zeit der Massenentlassungen und vielversprechender neuen AnwärterInnen“  Ganz so einfach ist es nicht, wie Clemens erklärt:„Wir befinden uns inmitten eines grundlegenden kulturellen Wandels der Arbeitswelt. Es gibt einen Fachkräftemangel, Krisen und das Ende der ungebremsten Wachstumswirtschaft erfordert eine andere Art von Beziehung.“

Anders ausgedrückt: Eine Flutwelle innerer Kündigung deutet immer auf ein kaputtes System hin: mittelmäßige Manager und schwache Führungskräfte.

Quiet quitting

Welche Lösungen gibt es?

Wie können Führungskräfte also den Trend des Quiet Quittings abschwächen und das Engagement ihrer Mitarbeitenden verbessern? Hier ein paar Tipps:

1. Fördern Sie eine Kultur der Autonomie und Befähigung:

Wenn Sie Ihren Mitarbeitenden die Möglichkeit geben, eigenständig Entscheidungen zu treffen und Verantwortung für ihre Arbeit zu übernehmen, kann dies die Arbeitszufriedenheit und das Engagement erhöhen.

2. Erkennen und belohnen Sie gute Leistungen:

Die Anerkennung und Belohnung der harte Arbeit Ihrer Mitarbeitenden kann die Arbeitszufriedenheit und das Engagement verbessern.

3. Schaffen Sie Wachstums- und Entwicklungsmöglichkeiten:

Die Bereitstellung von Wachstums- und Entwicklungsmöglichkeiten für Mitarbeitende kann die Arbeitszufriedenheit und das Engagement verbessern.

4. Kommunizieren Sie klar Unternehmenswerte und -ziele:

Eine klare Kommunikation der Werte und Ziele des Unternehmens kann den Mitarbeitenden helfen, den Zweck ihrer Arbeit zu verstehen und sich mit dem Unternehmen zu identifizieren.

5. Bauen Sie ein Gefühl der Gemeinschaft auf:

Aktive Bemühungen ein Gemeinschaftsgefühls innerhalb des Unternehmens zu schaffen, kann Mitarbeitenden dabei helfen, sich mit ihren KollegInnen und dem Unternehmen verbunden zu fühlen.

6. Hören Sie auf Ihre jüngere Belegschaft:

Die Generation Z und die jüngeren Millennials kündigen vielleicht still und leise, aber sie äußern sich auch laut und sagen, was ihnen wichtig ist. Eine Umfrage von Axios und Generation Lab zeigt, dass 82 % der Arbeitnehmenden der Generation Z angaben, dass es „ziemlich oder extrem attraktiv“ ist, lediglich das Nötigste zu tun, um ihren Arbeitsplatz zu behalten. Wichtiger sind für diese Mitarbeitende das eigene Wohlbefinden, Hobbys, Freunde und Familie. Bietet die Arbeitskultur Ihres Unternehmens Raum für diese Dinge, indem sie die 4-Tage-Woche, eine flexible Kultur, Wachstum, wettbewerbsfähige und transparente Gehälter und andere positive Praktiken fördert? Machen Sie sich dies zu eigen und sehen Sie, welchen Unterschied das macht.

7. Schulen Sie Ihre Führungskräfte:

Zu guter Letzt, aber wahrscheinlich mit am wichtigsten, müssen auch die Führungskräfte geführt werden. Ziehen Sie in Erwägung, Führungskräfte zu schulen und das Business-Coaching in die Managementausbildung einzubeziehen, damit neu beförderte Führungskräfte nicht unvorbereitet auf die Verantwortungen diese Wandels treffen. Die Zukunft Ihres Unternehmens hängt im wahrsten Sinne des Wortes davon ab.