Die ersten Schritte sind entscheidend: Ein System für Abzeichen und Zertifizierungen im Unternehmen
Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit gibt es in etwa 70 Berufen bereits Personalengpässe auf Fachkraftniveau. Im Oktober 2021 waren die Unternehmen in Deutschland demnach auf der Suche nach 1,2 Millionen Arbeitskräften, davon zwei Drittel Fachkräfte. Die passenden Kompetenzen zur richtigen Zeit vorhalten zu können, wird da zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Digitale Abzeichen und Zertifizierungen können helfen, schneller und sicherer die passenden Talente zu finden und zu entwickeln.
Keine Papierzeugnisse dank Abzeichen und Zertifizierungen
Mit der Schnelligkeit, mit der sich die benötigten Kompetenzen in Unternehmen verändern, können Studienpläne längst nicht mehr mithalten. Ob ein Abschluss dazu befähigt, tatsächlich die für eine Stelle nötigen Anforderungen zu erfüllen, ist nur mühsam nachzuvollziehen. Unternehmen, die Personal suchen, müssen sich häufig immer noch auf digitale Papierzeugnisse verlassen, die erstens nicht überprüfbar sind und zweitens nicht wirklich Auskunft über die Lerninhalte geben.
Hier schaffen Abzeichen und Zertifizierungen Abhilfe. Sie sind nichts anderes als digitale Abzeichen, Bilddateien mit eingebetteten Meta-Daten nach einer vorgegebenen Standard-Struktur, die Auskunft über den Inhaber, den Aussteller, die für das Badge erbrachten Leistungen bzw. nachgewiesenen Kompetenzen sowie, das Datum und, falls vorhanden, eine Gültigkeitsdauer gibt. Aufgrund der Standard-Struktur sind Open Badges übertragbar, das heißt die Inhaber können sie vielfältig nutzen, zum Beispiel auf ihrer Webseite oder in ihrem Profil in sozialen Netzwerken. Wie wertvoll im Sinne von wie hoch bewertet ein Badge ist, entscheidet der Aussteller, der es zugleich verifiziert. Ein Badge kann eine simple Teilnahmebescheinigung an einer Veranstaltung sein, ein Nachweis für Kompetenzen, ein Micro-Credential, ausgestellt für beispielsweise einen LinkedIn-Kurs, oder sogar ein Zertifikat für einen Studienabschluss, der auf Basis vieler kleinerer Leistungsnachweise vergeben wird. Sehr bekannte Digital Badges sind zum Beispiel die SAP-Zertifizierungen für Berater und Anwender, Sprachzertifikate, wie sie Speexx vergibt oder auch die Open Badges von IBM.
Warum sind Abzeichen bzw. Badges für Unternehmen so wertvoll?
Bleiben wir bei IBM. Das Unternehmen hatte sich ursprünglich gar nicht für Badges entschieden, sondern dafür, weniger Bewerber und Bewerberinnen mit einem Studienabschluss einzustellen und stattdessen mehr Bewerber mit bestimmten, dringend benötigten Kompetenzen. Die Frage war nun, wie man Menschen diese Kompetenzen schnell beibringen, erkennen und nachprüfen kann. Also startete das Unternehmen ein Open Badge Programm an der hauseigenen Big Data University und belohnte jede absolvierte Einheit eines Kurses mit einem Badge. Zusammen mit der Badge-Plattform Credly wurde ein Badge-Framework entwickelt, dass schon am Aussehen und der Farbe des Badge erkennen ließ, in welchem Geschäftsbereich es erworben wurde und welche persönliche Leistung damit verbunden ist.
Das Programm stellte sich bereits nach kurzer Zeit als äußerst erfolgreich heraus – nicht nur weil sich mehr Mitarbeitende daran beteiligten. Da auch für Produkttests Bagdes vergeben wurden, stieg deren Anzahl erheblich.
Mittlerweile erfasst das Unternehmen Badges für nachgewiesene Fähigkeiten in mehr als 100 Ländern und hat dafür sogar ein konsolidiertes Abzeichensystem erarbeitet. Alle Abzeichen, die ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin erworben hat, sind dort gesammelt. Werden bestimmte Kompetenzen benötigt, werden die Kompetenz-Tags der Badges gescannt und die identifizierten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erhalten ein Jobangebot. Badges lassen sich aber nicht nur für anspruchsvolle Tätigkeiten wie bei IBM nutzen. Auch der Warenhaus-Konzern Walmart arbeitet bereits damit. Er nutzt Badges beispielsweise, um die Kompetenzen von Mitarbeitenden an verschiedenen Standorten zu erfassen und diese bei Bedarf abrufen zu können.
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Badges und Credentials in der Praxis
So lassen sich die digitalen Zertifizierungen und Abzeichen für Unternehmen nutzen
Mitarbeitende motivieren und auszeichnen
Badges sind besonders gut dazu geeignet, Mitarbeitende für besonderes Engagement oder für besondere Leistungen zum Beispiel als „Freiwilliger des Monats“ auszuzeichnen. Diese informellen Auszeichnungen sind intern sichtbar und können z.B. an die E-Mail-Signatur angehängt werden, haben in der Regel aber nur innerhalb der Organisation einen Wert und sind zeitlich begrenzt. Sie benötigen keine externe Verifizierung und sind schnell und kostengünstig in über Badge-Plattformen wie openbadgefactory.com umzusetzen.
Sicherheit in Projekten
In Projekten helfen Badges, die Kompetenzen der eingebundenen Personen zu überprüfen. Das gilt umso mehr für Projekte, bei denen die Mitarbeitenden remote arbeiten und nicht vor Ort sind. Digitale Zertifikate, die in diesen Bereich fallen, sind zum Beispiel Zertifizierungen, die Software-Konzerne wie SAP, IBM oder Microsoft herausgeben. Zertifikate dieser Unternehmen werden zum Beispiel in Zusammenarbeit mit Plattformen wie bagdr.com oder credly.com ausgestellt.
Externe Qualifikationen einbetten und davon profitieren
Mit Badges können Unternehmen ihre interne Weiterbildungslandschaft ausbauen und externe Ressourcen einbetten. Solche externen Ressourcen können zum Beispiel MOOCs oder die Angebote anderer Online-Plattformen sein, die das Unternehmen akkreditiert. So lassen sich Ökosysteme für vernetztes Lernen schaffen. Dazu gehören zum Beispiel von der IDB (Inter-American Development Bank) zertifizierte Badge-Programme oder Badgr.com, die portable Lifelong Learner Records anbieten. Damit gemeint sind digitale Zertifikate, die Lernerfahrungen über die verschiedenen Institutionen hinweg dokumentieren.
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Mehrwert für Mitarbeitende schaffen
Badges von Weiterbildungsinstitutionen, die international anerkannte digitale Zertifikate ausstellen, behalten ihren Wert für Mitarbeitende, selbst wenn sie den Arbeitgeber wechseln. Bei Speexx haben wir beispielsweise digitale Abzeichen und Bescheinigungen eingeführt, die verschiedene Niveaus von Sprachkenntnissen auf der Grundlage des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) bescheinigen. Wechselt ein Lernender von einer Organisation zu einer anderen, kann diese der digitalen Auszeichnung vertrauen.
Mehrwert für das Unternehmen schaffen
Über Bagdes lassen sich benötigte Kompetenzen im Unternehmen schnell und leicht finden, selbst wenn die Mitarbeitenden an verschiedenen Standorten arbeiten. Kompetenz-Tags in den vergebenen digitalen Zertifikaten sind für die Einsatzplanung damit äußerst wertvoll. Open Badges haben einen Marketing-Effekt, wenn Mitarbeitende sie in sozialen Netzwerken teilen und das Unternehmen so indirekt als attraktiven Arbeitgeber erscheinen lassen. Gleichzeitig erleichtern digitale Zertifikate das Recruiting, weil sie aussagekräftiger sind als etwa ein Papier-Diplom des Bewerbers.
Eigene Qualifikationen schaffen
Digitale Zertifikate können auch ein Ergebnis einer formalen Kooperationen von Weiterbildungsanbietern, Unternehmen und dem Aussteller/Verifizierer sein. Unternehmen erhalten so perfekt auf sie zugeschnittene kurze Ausbildungsprogramme. Eine Organisation, die sich zur Aufgabe gemacht hat, die verschiedenen Stakeholder zusammenzubringen, ist die ICoBC.
Die Einführung von Badges und Credentials: Groß denken – klein anfangen
Digital Badges umfänglich im Unternehmen einzuführen, braucht Zeit und eine gute Vorbereitung. Das Gute an den digitalen Zertifikaten und Auszeichnungen ist: Man kann damit auch ganz klein beginnen:
1. Verschaffen Sie sich ein umfassendes Bild von Badges und Credentials
Relevante Organisationen wie zum Beispiel das International Council on Badges & Credentials halten viele Informationen bereit. Sehen Sie sich bei Weiterbildungsanbietern und anderen Organisationen um, wer arbeitet bereits mit digital Badges, in welchen Bereichen werden sie eingesetzt, welche Erfolgsstorys gibt es. Betrachten Sie das eigene Unternehmen: Welche Mitarbeitenden haben bereits Open Badges erworben, ohne dass Sie davon wissen?
2. Beziehen Sie alle wichtigen internen Stakeholder ein
Die Einführung von Badges und Credentials macht Kompetenzen öffentlich – genauso wie sich erkennen lässt, wer welche Kompetenzen nicht hat! Es ist daher wichtig, sich in Bezug auf die Entscheidungsfindung aber auch in Bezug auf den Roll-out mit allen wichtigen Interessengruppen wie Mitarbeitervertretung, Führungsebene und Learning &Development abzustimmen und sie zu Verbündeten zu machen.
3. Suchen Sie sich die passenden Partner.
Es gibt eine Vielfalt an Plattformen, die Open Badges, Badges und Credentials oder auch Microcredentials ausstellen. Plattformen wie Credly oder Badgr bieten verschiedene Programme, aber auch viele Informationen an. Möglicherweise arbeiten sie bereits mit LinkedIn Learning, die ebenso anerkannte digital Badges ausstellen wie Speexx. Wir nutzen den international anerkannten Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen GER, so dass Sie aber auch alle anderen immer genau wissen, welches Sprachlevel wirklich vorhanden ist.
4. Definieren Sie Meilensteine.
Gehen Sie Schritt für Schritt vor und beantworten Sie wichtige Fragen vorab. Entwickeln Sie übertragbare Standard-Kompetenzprofile und setzen sich überschaubare Zwischenziele für die Einführung von Badges. Überlegen Sie, in welchen Bereichen Sie mit der Einführung beginnen wollen.
5. Berechnen Sie die Vorteile!
Rechtfertigen Sie die Kosten mit einem auf mittelfristige Sicht positiven ROI. Rechnen Sie gegen: Was kostet es, wenn dringend benötigte Kompetenzen zwar im Unternehmen vorhanden sind, bei Bedarf aber nicht schnell zu identifizieren sind und extern eingekauft oder mühsam aufgebaut werden müssen?
6. Starten Sie klein, lösen Sie reale Probleme!
Es gibt speziellen Weiterbildungsbedarf? Suchen Sie sich einen Weiterbildungsanbieter, der bereits mit Open Badges arbeitet. Es gibt ein Motivationsloch? Vergeben Sie interne digital Badges, beispielsweise eine zeitlich beschränkte Auszeichnung für eine besondere Leistung, die jeden Monat neu vergeben wird.
Auch wenn es noch ein weiter Weg ist, bis das Ökosystem der digitalen Zertifizierungen vollständig ausgereift ist und digitale Abzeichen und Zertifizierungen allgemein akzeptiert und anerkannt sind, ist klar im Vorteil, wer jetzt ihren Wert erkennt und nutzt.
Gudrun Porath
Gudrun Porath ist freie Journalistin. Sie beobachtet und kommentiert unter anderem für das Haufe Personal-Portal und die Haufe-Zeitschrift „wirtschaft + weiterbildung“ die Trends auf dem E-Learning-Markt.