Die Pandemie hat so vieles beeinflusst, unter anderem unsere Art und Weise zu arbeiten. Remote Work war früher in den wenigsten Unternehmen möglich, wurde vorübergehend die Norm und ist auch heute noch präsent – wenn auch nicht so ausgeprägt, wie vor einigen Jahren von Expert:innen erwartet wurde. Doch post Pandemie sehen wir auch noch einen weiteren Trend: Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatem sind weiterhin verwischt, Arbeitszeiten gibt es nicht mehr, Arbeitnehmende sind immer erreichbar und antworten auf E-Mails kurz vor dem Schlafengehen. In diesem Artikel untersuchen wir die Problematik von Überstunden in der heutigen Arbeitswelt und wie Unternehmen diese vermeiden können.
Die Auswirkungen von Überstunden
Was normal in der Pandemie war, wird weitergeführt, wir arbeiten tendenziell mehr als früher und machen mehr Überstunden. Viele Arbeitnehmende haben sich zu sogenannten Workaholics entwickelt und sind unfähig, die Arbeit mal Arbeit sein zu lassen. Dieses ungesunde Verhältnis mit der Arbeit wird vom Arbeitsumfeld oft sogar noch gefördert, obwohl zu viele Überstunden sogar kontraproduktiv sein können, indem mehr Gesundheitskosten entstehen. In ihrem Buch “Never not working: Why the always-on culture is bad for business – and how to fix it” beschreibt Malissa Clark, Professorin an der University of Georgia und eine der führenden Wissenschaftler:innen für Workaholism, welche fatalen Auswirkungen Überstunden auf Mitarbeitende und das ganze Unternehmen haben. Lange Arbeitszeiten können gesundheitliche Folgen wie Stress, Burnout und psychische Belastung haben. Auch Schlafstörungen und Erschöpfungserscheinungen sind keine Seltenheit: generell sind Überstunden mit einer schlechteren allgemeinen Gesundheit verbunden. Diese Auswirkungen haben auch Mitarbeiterfluktuation und Produktivitätsverluste zur Folge. Bereits 2014 war eine Studie von der Stanford University zu dem Ergebnis gekommen, dass ab einer Wochenarbeitszeit von mehr als 50 Stunden die Produktivität sinkt. Obwohl gerade das Management oft davon ausgeht, dass mehr Arbeitsstunden mehr erledigte Arbeit und dadurch mehr Umsatz bedeuten, sind Überstunden eben mit vielen direkten und indirekten Kosten für das Unternehmen verbunden. Daher zeigen wir Ihnen 8 Strategien, wie Sie Überstunden und ihre weitreichenden Folgen in Ihrer Firma vermeiden können.
1. Strukturen anpassen
Als erstes müssen die Gründe identifiziert werden, die zu Überstunden führen. Dazu sollte eine Bedarfsanalyse auf drei Ebenen durchgeführt werden: Auf Organisations-, Job-, und persönlicher Ebene. So kann man herausfiltern, welche Strukturen oder Key Drivers Überstunden fördern, zum Beispiel die Führungsebene oder bestimmte Technologien, die uns immer und überall erreichen. Nach der Analyse werden die Strukturen so angepasst, dass Aufgaben auch in der regulären Arbeitszeit erledigt werden können. Aufgaben werden neuverteilt und Wachstum wird durch neue Mitarbeiter oder Freelancer aufgefangen. Außerdem geht es darum Regelmäßigkeiten zu erkennen und diese im Voraus zu planen. Weiß man beispielsweise, dass vor der Sommerpause viel extra Arbeit anfällt, kann man bereits im Vorfeld Verstärkung einplanen, um das Team zu entlasten.
2. Effektive Zeitmanagement-Strategien
Um Überstunden zu vermeiden ist ein effektives Zeitmanagement essenziel. Dafür gibt es spezielle Tools und Techniken, die die Arbeitsorganisation effizienter machen. Mitarbeitende müssen lernen, wichtige Aufgaben zu priorisieren und Verantwortlichkeiten zu delegieren, wann es angemessen ist. Zur Förderung von einer gesunden Work-Life-Balance können auch flexible Arbeitszeitmodelle und Pausenmanagement beitragen. Eine Überlegung wert ist außerdem das Einrichten einer sogenannten Flow time, in der keine Nachrichten oder Mails beantwortet werden und in der konzentriertes Arbeiten möglich ist.
3. Optimierung von Arbeitsprozessen
Ein weiterer Ansatz, um Zeit zu sparen und so Überstunden zu verringern, ist die Optimierung von Arbeitsprozessen. Das kann zum Beispiel durch die Identifizierung von ineffizienten Abläufen und anderen Zeitfressern passieren. Wiederkehrende Aufgaben und Prozesse können automatisiert oder mithilfe von vorbereiteten Templates schneller abgehakt werden. Außerdem kann durch frühes Feedback und Teamarbeit Doppelarbeit vermieden werden.
Entdecke die neuen Trends für hybrides Arbeiten
4. Förderung einer gesunden Arbeitskultur
Das Schaffen eines positiven Arbeitsumfelds trägt zur Motivation und Mitarbeiterbindung bei, wodurch diese besser arbeiten und weniger Überstunden machen müssen. Zu einer gesunden Arbeitskultur gehört es auch, Mitarbeitende in der persönlichen Entwicklung zu unterstützen, und auf diese Weise die Effizienz zu steigern. Außerdem sollten sich Arbeitnehmende durch Anerkennung und Feedback wertgeschätzt fühlen.
5. Klare Kommunikation und Erwartungsmanagement
Damit es gar nicht erst zu Überstunden kommt, sollten Führungskräfte realistische Ziele und Deadlines für ihr Team setzen. Durch eine transparente Zielsetzung und Erwartungshaltung wissen Mitarbeitende so, was auf sie zu kommt und können ihre Zeit einteilen. Außerdem sollte offen darüber kommuniziert werden, wie hoch die Arbeitsbelastung ist und wo Ressourcenbedarf besteht. Führungskräfte müssen lernen, die Stimmung im Team aber auch von den einzelnen Mitarbeitenden einzuschätzen, um eventuell eingreifen zu können. Warnzeichen für Überarbeitung sind unter anderem Mitarbeitende die vermehrt krank oder gereizt sind, sowie soziale Aktivitäten unter Kolleg:innen meiden.
6. Flexibilität und Agilität in der Arbeitsweise
Überstunden werden vermieden, wenn effizienter gearbeitet wird. Die Effizienz wiederum kann gesteigert werden, indem Mitarbeitende lernen, sich an verändernde Anforderungen und Prioritäten anzupassen. Hier können agile Methoden und Arbeitsweisen eingesetzt werden, um schnell auf neue Herausforderungen reagieren zu können. Wichtig ist es, dass Führungskräfte die Selbstorganisation und Eigenverantwortung ihrer Mitarbeitenden bestärken.
7. Technologische Unterstützung für die Arbeitsorganisation
Arbeitseffizienz kann auch durch technologische Tools wie Produktivitäts-Apps oder Zeitplanungssoftware unterstützt werden. Auch Kollaboration-Apps können Mitarbeitende besser vernetzen und so produktiver zusammenarbeiten lassen. Unternehmen können darüber hinaus ihre Guidelines für E-Mail-Verkehr außerhalb der Arbeitszeiten anpassen, um Überstunden zu vermeiden. Eine weitere Lösung sind E-Mail-Signaturen, die darauf hinweisen, dass der Empfänger nicht außerhalb der Arbeitszeit antworten soll, oder eine Automatisierung des Postfachs, sodass E-Mails nur während der Arbeitszeit zugestellt werden.
8. Umgang mit unvorhergesehenen Ereignissen und Krisen
Überstunden entstehen oft durch ungeplante Ereignisse oder kritische Momente. Diesen unerwarteten Situationen kann man mit der Entwicklung von Notfallplänen und -strategien entgegenwirken. Gerade bei erhöhter Arbeitsbelastung oder Personalengpässen sind Flexibilität und ein erprobtes Krisenmanagement der Schlüssel, um Überstunden zu vermeiden oder zu mindestens zu verringern. Bei Bedarf können auch Ressourcen und Unterstützung durch externe Dienstleister eingesetzt werden.
Ausblick
Überstunden sind auf lange Sicht keine gute Idee – weder für die Arbeitnehmenden noch für das Unternehmen als Ganzes. Aber mithilfe der oben aufgeführten 8 Strategien können sie Überstunden ganz gezielt den Nährboden nehmen und von vornerein vermeiden. Allein im Jahr 2023 wurden in Deutschland um die 702 Millionen unbezahlte Überstunden verrichtet. Aber im Hinblick auf den zunehmenden Trend in Richtung Mental Health und Work-Life-Balance ist zu hoffen, dass diese Zahl in Zukunft bedeutend geringer ausfallen wird und Überstunden nicht mehr die Norm in vielen Berufen sind.