Magdalena Rogl, Project Lead Diversity & Inclusion bei Microsoft Deutschland über ihre Mission für eine offenere Arbeitswelt.
Für Magdalena Rogl, Project Lead Diversity & Inclusion bei Microsoft Deutschland, ist klar: Es geht um Empathie. Mehr als um alles andere. Im Gespräch mit Speexx erklärt sie, wie ihr Unternehmen die Themen Diversität und Inklusion auf globaler Ebene ansetzt und bis ins Detail und jede einzelne Abteilung umsetzt, um eine zukunftsfähige Arbeitskultur und -umgebung zu schaffen, die auf die Bedürfnisse aller eingeht.
Zur Person
Magdalena Rogl ist selbst das beste Beispiel dafür, dass eine Karriere nicht immer ganz geradlinig verlaufen muss, um erfolgreich und erfüllt zu sein. Als gelernte Kinderpflegerin ohne Abitur und alleinerziehende Mutter zweier Kinder, erkannte sie mit Mitte 20, dass sie sich beruflich umorientieren musste. „Als Kinderpflegerin alleinerziehend mit zwei kleinen Kindern in München kommt man eben nicht über die Runden.“ So wurde aus einem Job auf 400-Euro-Basis im Community-Management von Tomorrow Focus schnell eine Vollzeit-Stelle und die Leitung der Abteilung. Die Spezialisierung auf Online- und interne Kommunikation brachte sie in die Unternehmenskommunikation. 2016 dann der Wechsel zu Microsoft Deutschland, als Head of Digital Channels. Im Herbst 2021 hat sie ihr persönliches Anliegen und Engagement zum Beruf gemacht und ist nun als Project Lead Diversity & Inclusion Teil der Personalabteilung von Microsoft Deutschland.
Im Oktober 2022 erscheint ihr erstes Buch „MitGefühl: Warum Emotionen im Job unverzichtbar sind“.
Inklusion – Was heißt das eigentlich?
Für viele klingt Inklusion vor allem nach Rücksichtnahme – auf die Bedürfnisse aller, aber vor allem auf die derer, die anderenfalls benachteiligt wären. Für Magdalena Rogl hat Inklusion vor allem mit Empathie zu tun. Es geht darum, verstehen zu wollen, wie sich die Welt, die Gesellschaft oder der Arbeitsalltag für Menschen anfühlt, die anders sind als man selbst. „Wie ist es für jemanden der offensichtlich einen ausländischen Nachnamen hat?“ Ein Beispiel, das sie selbst erlebt hat, denn bis zu ihrer Hochzeit hatte sie einen kroatischen Nachnamen und die veränderten Reaktionen als sie plötzlich Rogl hieß, waren deutlich.
Für sie ist Inklusion „der Versuch, mitzufühlen, also nachzuvollziehen, wie es anderen Menschen geht und wieso sich für sie manche Dinge vielleicht anders oder komisch anfühlen. Natürlich kann man sagen, dass es im nächsten Schritt um Rücksichtnahme geht, aber ich finde, das klingt immer so ein bisschen herabschauend und bemitleidend.“
Diversität und durch Inklusion
Anstatt eines Unterschieds sieht Rogl einen kausalen Zusammenhang von Diversität und Inklusion, also „dass es eine logische Schlussfolgerung ist. Robert Franken, der auch sehr aktiv ist im Bereich Diversity & Inclusion ist, hat das mal sehr schön gesagt: ‚Inklusion ist der Weg und Diversität ist das Ziel.‘ Das beschreibt es eigentlich ganz gut. Es geht darum, dass wir eine Gesellschaft oder auch eine Unternehmenskultur schaffen, in der sich niemand ausgeschlossen fühlt und in der alle Menschen so sein können, wie sie sind. So entsteht Diversität durch Inklusion – im Unternehmen und bestenfalls auch in der Gesellschaft.“
Generell ist das auch das Verständnis bei ihrem Arbeitgeber Microsoft. Vor allem, weil es sich bei dem Thema um eines handelt, das sich in einer rasant stattfindenden Entwicklung befindet. Was vor ein paar Jahren noch vor allem als Gender-Thema verstanden wurde, das sich mit Pronomen, inklusiver Sprache und Chancengleichheit für alle Geschlechter und Ethnien beschäftigt, ist heute deutlich vielseitiger. Heute geht es auch um Themen wie Neurodiversität und ihre Auswirkung auf die Bedürfnisse von Mitarbeitenden.
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Die inklusive Mission von Microsoft
Das Mission Statement von Microsoft lautet „We empower every person and every organization on the planet to achieve more“. Der CEO, Satya Nadella, legt großen Wert darauf, dass dieses Motto ernstgenommen und umgesetzt wird, indem ganz genau hingeschaut wird, was „every person“ bedeutet. „Nadella selbst hat einen sehr internationalen Background, was wohl auch sehr stark mit reinspielt, wieso das bei uns so stark gelebt wird und verankert ist“, sagt Rogl.
Um dem eigenen Anspruch gerecht zu werden, ist für Microsoft als Unternehmen das Thema Diversität firmenextern wie intern gleichermaßen wichtig. Extern geht es darum, Produkte (Hard- und Software) zu entwickeln und auf den Markt zu bringen, die alle Menschen erreichen können und die für jeden barrierefrei nutzbar sind. Intern braucht Microsoft (wie jedes andere Unternehmen, das barrierefreie und inklusive Produkte auf den Markt bringen will) Diversität in der Belegschaft, um durch möglichst unterschiedliche Perspektiven den nötigen Input zu haben, den es braucht, um diese inklusiven Produkte überhaupt entwickeln zu können.
Diversity & Inclusion: Vollzeit statt nebenbei
Viele Unternehmen, die mehr im Bereich Diversity & Inclusion machen möchten, entscheiden sich zuerst für den am wenigsten aufwändigen Weg. Die Mitarbeitenden der Personalabteilung werden dann geschult und fortgebildet und sollen für mehr Diversität und Inklusion im Unternehmen sorgen. Aber meist nur nebenbei. Das kann ein Anfang sein, reicht auf Dauer aber nicht aus.
„Diversität und Inklusion als Projekt dürfen keine Alibiaufgabe sein und auch nichts, was nur nebenbei betrieben wird. Schlüsselrollen sind wichtig, die wie Satelliten im Unternehmen funktionieren und die einzelnen Projekte und Aufgaben im Blick be- und die Stränge zusammenzuhalten.“ Magdalena Rogl ist gleichzeitig Anlaufstelle für alle Abteilungen und federführend für die erfolgreiche Durchführung der einzelnen Projekte verantwortlich. In jedem Land, in dem Microsoft eine Niederlassung hat, gibt es jemanden, wie sie. Lokal organisiert in einem globalen Netzwerk.
Was macht ein Project Lead Diversity & Inclusion bei Microsoft?
Sehr vereinfacht gesagt, ist es Ziel dieser Position, die Unternehmenskultur und Arbeitsbedingungen an die echte Welt, also an Menschen und ihre Bedürfnisse anzupassen anstatt umgekehrt. „Grundsätzlich sind Unternehmen auch ein Teil der ‚echten Welt‘, aber was die Kultur betrifft, unterscheiden sich viele Unternehmen und die Arbeitswelt im Allgemeinen doch sehr stark von unserer Gesellschaft und der allgemeinen Kultur, in der wir leben. Deshalb ist es definitiv eine meiner Aufgaben, eine Kultur zu schaffen, in der sich alle Menschen wohlfühlen können.“
Als „zentral wichtig“ für dieses Ziel bezeichnet Rogl die Communities, die Microsoft seine Mitarbeitenden kreieren, beleben und pflegen lässt. „Die Communities sind bei uns sehr wichtig, weil sie einerseits Kultur schaffen und andrerseits Raum – also einen sogenannten Safe Space – bieten, in denen sich Leute frei austauschen können, die sich einer Community zugehörig fühlen.“
Communities schaffen inklusive Kommunikation im Team
LGBTQ+ ist ein Beispiel für so eine Community, in der man sich mit anderen treffen, austauschen und besprechen kann. „Ich selber bin beispielsweise bisexuell, aber trotzdem assoziiert mich als hetero Mutter, verheiratet und mit zwei Kindern keiner damit. Ich bin seit meinem ersten Monat bei Microsoft ganz aktiv in der LGBTQ+ Community und habe auch die Pride im ersten Jahr mitorganisiert – auch wenn es nicht unbedingt sichtbar und für jeden verständlich ist, bin ich ein Teil der Community.“
Der Austausch kommt aber auch aus der Community heraus, wenn zum Beispiel Probleme an Rogl herangetragen werden, die eine einzelne Person sich vielleicht nicht anzusprechen getraut hätte. So erreichen sie wichtige Informationen und Anliegen, durch die sie beispielsweise erfährt, dass die Feuerschutztüren zu schwer sind und jemand im Rollstuhl sie nicht öffnen kann oder mehr genderneutrale Toiletten in den Offices gebraucht werden. „All das sind Dinge, bei denen die Community dem Unternehmen hilft, genau so inklusiv zu werden, dass wir auch Diversität ermöglichen können.“
Offene Kommunikation fördert Inklusion
Das Herzstück einer jeden Strategie für mehr Inklusion ist offene Kommunikation. Denn die Herausforderung, der Belegschaft klarzumachen, dass sie wirklich offen und ohne Angst vor Konsequenzen über die eigenen Bedürfnisse und Anliegen sprechen können, ist nicht zu unterschätzen. Die Hemmschwelle ist oft viel höher als gedacht.
„Dafür sind diese Communities so wichtig. Die bieten genau diesen Safe Space, wo es nicht darum geht, direkt mit einem Manager oder HR reden zu müssen, sondern mit Leuten, die vielleicht ähnliche Erfahrungen machen oder gemacht haben.“ So entsteht ein ganz natürlicher Austausch, der den Mitarbeitenden hilft, sich verstanden zu fühlen.
Die Herausforderung, Inklusion ohne Fingerzeigen zu schaffen
„Wir achten darauf, dass diskret vorgegangen wird. In den Community- Beschreibungen steht, dass das für alle Menschen ist, die sich der Community zugehörig fühlen, aber auch für alle, die eine Community unterstützen wollen. Das Kommunizieren wir immer wieder und haben beispielsweise auch eine Family-Community, in der auch Mitarbeitende sind, die keine Kinder haben und wir haben eine Women-Community, in der auch Männer sind.“ Der zentrale Fokus liegt darauf, Verständnis und Austausch zu schaffen, um Dinge für die Mitglieder einer Community besser zu machen.
„Das heißt aber nicht, dass wir die Aussage von jemandem, der HR im Vertrauen sagt, dass er an Depressionen leidet, an die große Glocke hängen, sondern dass wir versuchen wollen Kultur und das Bewusstsein zu schaffen, damit man dann auch den Mut hat, das mit dem Team zu teilen. Ich bin überzeugt, dass das wirklich der wichtige Punkt ist: Im Team und unter KollegInnen offener sprechen und vor allem aufmerksam sein bei Dingen die unsichtbar sind.“
Diversität in deutschen Unternehmen
Auf die ein oder andere Art taucht Diversität als Thema in fast jedem Unternehmen mittlerweile auf – besonders gern als Teil der Mission. Aber wieviel davon ist echte Mission und was ist nur Teil einer Image-Strategie? „Ich glaube, die meisten Unternehmen wissen zumindest oberflächlich was Diversity ist, aber viele tun auch nur so als würden sie das Thema ernst nehmen. Wir sind im Moment in der Phase, in der das Bewusstsein für Diversität da ist, es aber von vielen Unternehmen vorwiegend noch als Marketinginstrument benutzt wird.“
Dabei ist Diversität weit mehr als ein Geschlechter- oder Herkunftsthema. „Ich sehe auch viele Unternehmen, die sich das Thema wirklich ernsthaft anschauen und sich ernsthaft austauschen und selbst reflektieren. Diese Selbstreflektion ist der wichtigste erste Schritt für Unternehmen, die wirklich etwas in Sachen Diversität und Inklusion ändern wollen. Das ist manchmal schmerzhaft, wenn man sieht, dass man in Bezug auf manche Aspekte wirklich schlecht ist.“ Aber nur so kann verstanden werden, wo und weshalb Veränderungen nötig sind und wie diese umgesetzt werden können.
Neurodiversität am Arbeitsplatz
Ein Thema, das aktuell in vielen HR-, speziell Diversität und Inklusionsdebatten heiß gehandelt wird ist die Neurodiversität. Dabei handelt es sich um etwas, das man nicht sehen kann – zumindest nicht auf den ersten Blick – also eine Art von Diversität, die quasi unsichtbar ist. „Das Bewusstsein für Neurodiversität ist erstmal das Wichtige und erstmal zu erklären was das überhaupt heißt und wie sowas aussehen kann.“ Alle sollten wissen, was ADHS ist und verstehen, was es bedeutet, wenn Menschen unter Reizüberflutung oder einer Lernschwäche leiden. Was kann man tun, um ihnen ein problemloses Arbeiten zu ermöglichen? Fest steht, dass bei Neurodiversität kein „One size fits all“-Ansatz angewendet werden kann, da die Bedürfnisse von Person zu Person extrem unterschiedlich sind.
„Ziel ist es, dass Menschen sich so sicher fühlen, dass sie offen darüber sprechen, was für sie wichtig wäre.“ Wenn beispielsweise eine Person im Team ADHS und deshalb große Probleme mit Multitasking hat, sollte sie problemlos darum bitten können, nicht auf Teams angeschrieben zu werden, wenn ihr Status auf beschäftigt gesetzt ist. „Als Unternehmen wollen wir das Team natürlich auch unterstützen, beispielsweise in Form von Coaching für Mitarbeitende mit ADHS, in denen gezeigt wird, wie sie sich besser organisieren können.“
Inklusion in der Weiterbildung
Auch bei Aus- und Weiterbildung ist Inklusion ein wichtiges Thema, um jedem Menschen die Chance zu geben, sich und seine Talente zu entfalten. Magdalena Rogl sieht hier ein Problem, das bereits in der Schulzeit anfängt. „Das Herausfordernde ist vor allem, dass unsere Bildungssysteme bisher überhaupt nicht inklusiv sind. Wenn man sich Kindergärten oder Schulen anschaut, sind da die Angebote echt klein. Das macht es natürlich schon sehr schwierig und auch wenn man sich die Statistiken anschaut, ist es sehr offensichtlich und deutlich, dass schon sehr früh ‚sortiert‘ wird. Das ist fatal, dass so viele Leute gar nicht erst auf dem Arbeitsmarkt landen können.“
Besonders fällt das auf, wenn man die Möglichkeiten für Menschen mit Behinderung betrachtet. „Die werden beispielsweise oft direkt in Richtung Behindertenwerkstätten geschleust – in Deutschland ist das ja immer noch so ein Thema, mit dem sich Unternehmen schmücken, wenn sie mit Menschen aus Behindertenwerkstätten zusammenarbeiten. Dabei ist das in vielen Fällen eine totale Ausbeuterei.“ Inklusive Weiterbildungsmöglichkeiten finden im Moment noch wenig Beachtung, werden aber in der inklusiven und diversen Arbeitswelt der Zukunft immer wichtiger werden.
Inklusives Lernen = voneinander lernen?
„Deshalb ist es, wenn wir über Erwachsenenbildung und auch Weiterbildung sprechen, umso wichtiger, das möglichst inklusiv zu gestalten und dafür zu sorgen, dass die Menschen, die sowieso schon mehr Chancen und Möglichkeiten hatten, nicht erneut bevorzugt werden, sondern dass wir besonders da darauf achten, dass wir Möglichkeiten schaffen, die für alle Menschen gelten. Es ist auch wichtig für mehr Empathie untereinander zu sorgen, mit diversen Menschen um uns herum zu lernen und uns weiterbilden zu können und vor allem auch voneinander lernen.“
Bei Microsoft gibt es einmal im Monat einen „Learning Day“, der nur für Lernen und Weiterbilden ist – mit interaktiven Lernangeboten, zum Beispiel in Form von Community Sessions. So eine Initiative bietet eine große Chance, auch mal zuzuhören und von den anderen zu lernen. Ebenso kann eine interne Lernplattform mit Trainings, Videos oder Zertifizierungen helfen, um Weiterbildung für alle Mitarbeitenden zugänglich und attraktiv zu gestalten.
Der inklusive und diverse Arbeitsplatz der Zukunft
Die meisten Unternehmen sehen sich nach den Ereignissen der vergangenen Jahre dazu gezwungen, Arbeitsmodelle zu überdenken und neue, moderne Ansätze auszuprobieren. Für Magdalena Rogl sieht der Arbeitsplatz der Zukunft „sehr divers aus, weil wir sehr viele verschiedene Arbeitsplätze oder Arbeitssituationen haben werden. Wir sehen ja auch durch die Pandemie, dass es ganz viele verschiedene Arbeitsweisen- formen und -orte gibt. Das wird sich noch mehr verstärken und so auch zu mehr Inklusion führen, weil Menschen nicht mehr dazu gezwungen sind, jeden Tag ins Büro zu kommen. Diversität und Inklusion wird sich am Arbeitsplatz bzw. an der Arbeitsweise ganz natürlich abbilden. Ich hoffe sehr und bin optimistisch, dass ein Job wie meiner in ein bisschen fernerer Zukunft überflüssig werden wird.“
Das Thema Unternehmenskultur wird wichtig bleiben, aber Diversity & Inclusion wird als Thema selbstverständlicher sein. „Wenn man sich die jüngeren Generationen anschaut, sieht man, dass es ganz selbstverständlich ist. Zum Schluss eine interessante Zahl: 72% der Millennials würden Unternehmen wechseln, wenn ein anderes inklusiver ist. Das zeigt genau diese positive Entwicklung und ich glaube, wenn diese Generation irgendwann mal die Arbeitswelt übernimmt, wird das schon ganz anders aussehen.“